Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Elke Krystufek in der Secession Wien

Posted by Stefan Beck on Monday, February 24, 1997
Elke Krystufek ist sehr schön. Der Kopf sitzt ihr fest auf dem Oberkörper, und der Rumpf auf den strammen Beinen. Sie hat große blaue Augen, langes blondes Haar und einen entzückenden Schmollmund. Ihre Brüste sind wohlgerundet und fett, ihr Arsch ist knackig. Sie ist 26 Jahre alt, und macht auf mich einen guten Eindruck.
Ihre Ausstellung in der Wiener Secession zielt darauf ab (vorwiegend (männliche)) Kritiker in Verlegenheit zu bringen.

Mit ihrem enormen Tableau von Pocket-Bildern und Instant-Fotografien ihres wahren und eingebildeten und öffentlichen und privaten Lebens zielt sie genau auf den Kern der Frage ab, was eigentlich persönlich sei, wohl wissend, daß der Kunstkritiker qua seines Amtes immer im Einzelwerk das Allgemeine und in der privaten Äußerung die Sprache von öffentlichem Interesse erkennen und vermitteln muß.

Gerade die Pedanterie und das panoptische Ausmaß mit der sie ihren Körper und sein image bis zur letzten Falte in Szene setzt muß jene verunsichern, die ihre Kunstäußerungen mit einem "Ganz schön" abtun wollten, um ihr dann nach dem Abendessen nach der Ausstellung nach dem Arsch zu fassen.

Auf die Frage Welche Werte?, fragt sie konsequent zurück Welche weiblichen Werte?.

Wieviel Krystufek vertragen sie? lautet die Frage an die Kritik, die angesichts solchermaßen medial inszenierten und vervielfältigten Weiblichkeit sich schwer tut, wie oben, einfach die Reize der Künstlerin zu preisen, weil sie ja damit ihren autoriträren Abstand zu ihren Subjekten einbüßte. Interessenloses Wohlgefallen (Kant) verbietet sich hier, ja führt direkt in die Erstarrung, wenn die Frage lautet: Welches Interesse an wem?

Konsequent führt dann die Ausstellungsarchitektur durchs Labyrinth der Stellwände in ein Allerheiliges, in dem dann 'echte' Kunstwerke, Ölbilder und Zeichnungen gezeigt werden, die alle nur ein Subjekt haben, Krystufek selbst.

Sie sind in einem bewußt dilletantischen Stil ausgeführt, der allzu deutlich an die ungekonnten Selbstdarstellungen von Mappenbewerbungen an Kunstakademien erinnert.

Mag der Kontrast zu den fotografischen Selbstporträts auch sehr groß erscheinen, im Zusammenhang demonstriert er bloß, daß Krystufeks Problem auch ein "Erziehungskomplex" ist, der mitnichten als bloße narzistische Krise abgeschrieben werden könnte.

Wo Ganahl den Prozeß der Erziehung lediglich von außen appliziert, um implizit ein "Warum ich so klug bin." anzubringen, lädt Krystufek an ihrem "Warum ich so schön bin." explizit ein den an ihr vollzogenen Erziehungsprozeß nachzuempfinden, jene jahrhunderte alten Mechanismen zur Erziehung und Züchtigung des Körpers, an deren Anfang die Reinigung von Dreck und Ungeziefer, und an deren Ende seine gentechnische Manipulation zu 'höheren' Zielen stehen.

Die enzyklopädische Bandbreite ihres Fotoromans enthüllt in aller Deutlichkeit wie frau heute zu einem shaped body gelangt, der ihr allein garantiert in die anonymisierten Austauschverhältnisse von safer sex und mixed perversion einzudringen, Tochter aus gutem Haus, Touristin im sonnigen Süden, Schlampe und Skandalnudel an der Kunstakademie.

Die unendliche Pose, der perma smile, ist ihre Form des Priapismus die Gefahren eines all night stands abzuwehren.

"Die Frau hat keinen Phallus, sie ist der Phallus.", sagt Lacan zu Recht.

Nur konsequent wenn sie sich auch eine Mona Lisa vor die Möse klebt, die einzige weibliche Gegenfigur von Rang, die das Abendland den zahllosen Christus-Darstellungen entgegengestellt hat.

Sie ist sittsam, tugendsam, empfindsam und wohlig weich empfänglich in die Landschaft eingebettet, diese Christa.

Wir ahnen so, daß das Schöne nur des Schrecklichen Anfang (Rilke) ist, wenn Mona Lisa Christa, und Christa Krystufek gleichkommen soll. Und die Leiden der Welt aufzunehmen gehört sich sehr wohl für eine höhere Tochter, selbst wenn dafür die Secession als Schlachtbank des Gefühls herhalten soll.

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Sorry, geht grad nicht.

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