Anja Czioskas Film: "6 Freunde in Frankfurt am Main"
In meiner Verlegenheit gegenüber diesem Werk würde ich diesen Film am Liebsten als einen Film bezeichnen.
Schon der Versuch sich am Titel Halt zu nehmen gerät ob der Frage, woraus denn die Freundschaft der sechs Freunde abzulesen wäre, ins Wanken. Auch Begriffe wie "Porträt", "Reportage" oder "Beschreibung" wage ich nicht anzuwenden, außer in einer ungefähren, klischeehaften Weise wie: "eine Art Porträt" (was nicht viel mehr sagt), denn das Porträthafte oder Beschreibende in dem Film erweist sich als derartig dürftig, daß ich nicht davon sprechen mag. Was habe ich also gesehen?
In meiner Verlegenheit gegenüber diesem Werk würde ich diesen Film am Liebsten als einen Film bezeichnen.
Schon der Versuch sich am Titel Halt zu nehmen gerät ob der Frage, woraus denn die Freundschaft der sechs Freunde abzulesen wäre, ins Wanken. Auch Begriffe wie "Porträt", "Reportage" oder "Beschreibung" wage ich nicht anzuwenden, außer in einer ungefähren, klischeehaften Weise wie: "eine Art Porträt" (was nicht viel mehr sagt), denn das Porträthafte oder Beschreibende in dem Film erweist sich als derartig dürftig, daß ich nicht davon sprechen mag. Was habe ich also gesehen?
Anja Czioska folgt mit einer wackeligen, handgehaltenen Kamera drei Frauen und drei Männern ihres Bekannten- oder Freundeskreises (alle sind in der Frankfurter Kunst/Musikszene gut bekannt) in deren Privatwohnungen und beobachtet sie vornehmlich beim Baden und Duschen.
Jeder/em von ihnen kommen gut drei oder vier Minuten des Filmes alleine zu, dazwischen sind Bilder der "Freunde" bei einem Picknick an einem sommerlichen Badesee eingespielt. Sie sollen vielleicht das Freundschaftliche der "Freunde", ihre Zugehörigkeit zu einer Clique, einer Szene, einem Freundeskreis dokumentieren.
Im Zentrum jeder "Beschreibung" steht das Bad. Die Kamera beobachtet die Person beim Ausziehen, unter die Dusche oder in die Wanne steigen, beim Einseifen, Säubern, beim Genuß des warmen Wassers, beim Heraussteigen, abtrocknen, in den Bademantel schlüpfen, anschließende Körperpflege, Schönmachen vor dem Spiegel.
In den knappen Dialogen, die bei diesen Prozeduren abfallen, dokumentiert sich die Vertrautheit der Filmerin mit ihren Darstellern, es ist nicht nötig große Worte zu machen, man kennt sich schon. Wo dabei die Kamera ihre Wackeligkeit verliert und ruhig zusieht, sogar richtig hinschaut, kommen nach meiner Meinung die schönsten Bilder des Filmes zustande.
Weder die Kamera noch die Darsteller zeigen Scheu vor der Nacktheit, ja präsentieren sich geradezu mit Lust, mit Opulenz und Sinnlichkeit (Die schönsten Brüste seit Russ Meyer, aber ohne dessen Fetischismus!). Die Aufnahmen sind immer intim, stellenweise auch erotisch, aber niemals aufdringlich oder obszön. Daß schließlich die Kamera auch abschweift, eben die Personen in ihrer privaten Welt, ihrer Wohnung, bei anderen Freizeitbeschäftigungen (Hans Romanov beim Rudern z.B.) oder mit kurzen Hinweisen auf ihren Beruf (Andrea Wünsche als DJ Bookerin) darzustellen versucht, empfinde ich als unnötig und problematisch an dem Film.
Daß die aufgefaßten Personen gerade hier in Frankfurt einigen Menschen bekannt sind, ist nichts als eine lokale Zufälligkeit, die sich in anderen Vorspielorten sofort abtragen wird, aber für mich liegt die Stärke des Werkes gerade in der Konzentration auf die anonyme Nacktheit der Darsteller und ihre beinahe selbstgenügsame Spiegelung im Wasser.
Was braucht mich zu interessieren, daß der Mann, der mich unter der Dusche mit seinem hageren Körper an den toten Christus von Holbein erinnert, in seiner Freizeit auch noch rudert.
Zum Porträt fehlt mir die Aus-Dauer und die Distanz zum Gegenstand. In ihrem Fehlen sehen ich die Stärke des Films, wobei ich meine, daß sie den Männern auch noch deutlicher auf Arsch und Schwanz hätte filmen sollen. Drei Minuten zum Duschen sind dafür wahrlich genug.
Ein Werk sollte immer auch Werk-Zeug sein, denke ich, und was gibt mir der Film da in die Hand?
Auf meine spontane Reaktion nach der Vorführung, der Film wäre mir "zu privat", entgegnete Anja Czioska etwas verständnislos, sie mache "nur private" Filme.
Was heißt aber "privat", was heißt "nur privat"?
Bedeutet das "nur" hier eine Steigerung oder eine Abschwächung von "privat"? Immerhin stellt sie ja den Film mit seinen durchaus privaten Szenen zur öffentlichen Diskussion, macht ihn in einer allgemein zugänglichen Vorführung der Öffentlichkeit erfahrbar.
Es wäre nun zu leicht aus meinem "zu privat" zu schließen, der Film sei nicht "politisch" oder vermittele keine Anschauung von öffentlichem Interesse.
Eher scheint es mir als schwäche die Filmemacherin mit ihrem "nur privat" die Brisanz des Filmes auf ihren eigenen Hintergrund und ihre Interessen hin ab, als verböte ein "privat" weitere Erkundigungen in seinen Inhalt und Darstellungsform, als dürfte die Reaktion auf ihn nicht das Maß an Belanglosigkeit und Triebhaftigkeit überschreiten, das sich in den Zwischeneinblendungen vom unschuldigen Treiben der "Freunde" am Badesee vorstellt.
Die Kamera, die dies alles in die Aufzeichnung einschließt, erweist sich aber qua dieser Aufzeichnung als Eindringling in dieser privaten Welt, woran auch die amateurhafte Handhabung, sowie die bewußte Einbeziehung fehlerhafter Elemente wie Farbverschiebungen, Überbelichtungen oder Filmfehler bei der späteren Nachbereitung nichts ändern, wie auch der Untertitel "Experimentalfilm" sich bewußt von Mami und Papis Strand-Urlaubs-Filmen absetzen soll. Wir sollen auch wissen, so ist es gewollt.
Je weniger der Film dem öffentlichen Raum Tribut zollt, desto aufdringlicher fordert er seinen Platz zurück.
Mag zu Anfang die Beobachtung des Badens und der Körperpflege als ausgesprochene Privatheit aussehen, ja gerade auch in dem expliziten Genußcharakter als Selbst-Befriedigung die ausgelassene sexuelle Sphäre (noch "privater"?) wieder mit hineinholt, die den eigentlichen, den nicht-öffentlichen Menschen aufzuweisen versucht, so entrollt sich gerade in dem Akt an sich seine historische Dimension.
So kurz auch die entsprechenden Sequenzen gewesen sein mochten, sie reichten aus, um zu dokumentieren, daß alle Darsteller in Wohnungen mit schlechter Bausubstanz und niedrigem Komfort leben, in denen die Bäder wahrscheinlich erst nachträglich eingebaut wurden. Es ist noch gar nicht so lange her, daß ein Bad zum Minimalstandard einer heutigen Wohnung gehört. Vorher gab es Waschbecken, davor Badezuber, und davor öffentliche Bäder.
Die heutige Hygiene ist das Ergebnis eines enormen Rückschlags, den die Badekultur in der frühen Neuzeit hinnehmen mußte. Während das Mittelalter ein außerordentliches Badeleben aufzuweisen hatte, in der das allgegenwärtige Bad gleichermaßen Reinigungs- und Vergnügungsstätte, sowie Kontaktbörse für beide Geschlechter war, wurden im 16. Jahrhundert unter dem Einfluß von Bettelorden und Puritanern, die vor allem sexuelle "Ausschweifungen" anprangerten (mit der Entdeckung Amerikas kam auch die Syphilis nach Europa), die öffentlichen Bäder sukzessive abgeschafft. Paris hatte um 1500 an die 3000 Badestuben, um 1600 ein paar Dutzend. Wer es sich leisten konnte, nahm Parfum, der Rest mußte stinken.
An der folgenden Entwicklung ist weniger die Erziehung und der Wille zur Sauberkeit interessant, als die Einbettung des Badens und Waschens (auch das Wäschewaschen!) in die häusliche Umgebung. Umgekehrt wurde das Lernen und Siechen von der Stube in den öffentlichen Raum getragen, zwecks besserer Kontrolle der als für die Allgemeinheit als nützlich erachteten Ergebnisse: die Geburt der Klinik.
Die ins Haus verlegte Sauberkeit korrespondiert mit einer Vielzahl von Techniken zur Ausbildung und Disziplinierung eines privaten Selbst, das sich zunehmend im Gegensatz zu einem öffentlichen Gemeinplatz sieht, der Gesellschaft.
Die kapitalistische Gesellschaft braucht nicht nur disziplinierte Arbeitskräfte, die über die letzten 150 Jahre in stetigerem und gewinnbringenderen Kontakt zu ihren Kunden (Stichwort Dienstleistergesellschaft) gebracht wurden, sie erfordert auch Konsumenten der immer zahlreicher werdenden Produkte und Bedürfnisse.
Wenig zeigt der Film von Anja Czioska deutlicher als der Wille zur Schönheit seiner ProtagonistInnen.
Selbst in einer randläufigen Gegend dieser Gesellschaft wie der Kunstszene besteht die Notwendigkeit den eigenen Körper zu verschönern und in Schuß zu halten. Von der Seife im warmen Wasser, über das sorgsame Einreiben mit Lava bis hin zum letzten prüfenden Blick in den Spiegel, es ist alles fürs Gemüt, und alles fürs Bestehen.
Der dem Film inhärente Narzißmus, ausgewiesen am Blick ins spiegelnde Wasser, der selbst-befriedigenden Reinigung, der Eingehülltheit in ein Wärme und Wohlgefallen spendendes uterinäres Medium, bricht sich an der Unheimlichkeit seines Gegenübers.
Trügerisch zu meinen, der selbstverliebte Blick in den Spiegel enthüllte ein liebenswertes Selbst, es ist das Man-Selbst, das Selbst auf Kredit, ein konstruiertes und erborgtes Selbst, das sich nur zu zerbrechlich und verfallend weiß, das zu pflegen und zu hegen geboten ist, solange es noch Gewinn macht.
In der scheinbaren Zurückverfallenheit der DarstellerInnen in ein kindliches Lustprinzip eröffnet sich ein Raum auf eine bedrohliche Zukunft, der nur durch Aufrüstung zu begegnen ist, sitzt der Lidstrich, ist der Busen fest und prall, hält der Blick stand?
Wie der Film damit enden muß, das alle das Bad verlassen, beweist er das Selbst als Panzer, als feste Umfriedung, die krampfhaft gehalten werden muß.
Wem das zu spekulativ klingt, den mag ich auf die zufällige und ungeplante "Ausstattung" des Films verweisen.
Dort, wo die Kamera von ihren Subjekten abschweift und einen Blick auf ihre Wohnsituation freigibt, befindet sich eine Welt von Flüchtigkeit und Haltlosigkeit.
Neben der schon betrachteten Tatsache, daß es sich vor allem um Altbauten in schlechter Wohnlage (Bahnhofsviertel) und schlechter Ausstattung handelt, dominiert eine Umgebung des Benutzten und Gebrauchten, vieles ist alt, aber nicht antik; wenn neu, dann ist es nicht original (Modeschmuck).
Nur Hans Romanov demonstriert eine Designer Teekanne (Arzberg?). Leben auf Second-Hand Basis, Dinge, soweit nötig, sind Behelf, Not-Behelfe. Dinge, die wohl persönlich sind, als sie den Aufwand erahnen lassen, der zu ihrem Erwerb erforderlich war (der Gang zum Flohmarkt), schweigen mehr als sie berichten vom unbeschwerten "Kauferlebnis", zu dem die Warenwelt so gerne einladen will; aber die ist draußen, weit draußen in den Vororten des Konsums, statt wie hier im Zentrum des Überlassenseins an die Geborgtheit des Sich-durchschlagens und Irgendwie-zurechtkommens.
Aus allem spräche eine große Trostlosigkeit eines Trotzdems, wenn ihnen nicht auch die Anstrengung der Aneignung abzulesen wäre, als positive Leistung, als Stück Begrenzung, Ab-Grenzung, die das Zuhause geleistet hat. Aber auch an diesem laßt sich die "Umheimlichkeit des Zuhauses" ablesen, von der Stefan Germer an anderem Ort gesprochen hat, als Zeugnis des Ringens um Stabilität und Dauer.
Wie groß mag die Bedrohung sein, wenn ihr nicht anders als durch diese improvisierten Leistungen, die jederzeit ohne große Verluste abzustoßen wären, zu begegnen ist.
Mich beschäftigt die Frage, ob einer von den Dargestellten im Film mehr Bücher als Schallplatten besitzt.
Nämlich als Scheide gegenüber der ausgeblendeten und unzugänglichen Hochkultur, denn Bücher sind auf dem Flohmarkt wesentlich billiger als Platten zu haben, aber sie gehören einer anderen Welt an, die Rilke seinen Malte recht zutreffend mit Haus, Hof und ererbten Möbeln in Verbindung bringen läßt.
Grundbesitzer im Bad, wäre aber ein anderer Film. Hier bezieht sich Grundbesitz allenfalls auf einen schmalen Uferstreifen, den man fürs kurze Vergnügen okkupiert hält und ansonsten gemächlich wieder verläßt. Mag vielleicht die Unruhe der Kamera damit zusammenhängen, daß sie auf diese Art keinen festen Boden unter den Füßen weiß?
Das Private war ehedem etwas, was die Öffentlichkeit beraubte, ihr die Fähigkeiten des einzelnen Bürgers entzog.
Im Film von Anja Czioska zeigt sich Privates als den Individuuen entzogener Besitz und Fähigkeiten, sich sinnvoll auf Öffentlichkeit, die nicht die ihre ist, zu beziehen.
Das Bad ist ein trockenes Refugium, in dem Rückzug auf ein Selbst schon überholtes Manöver ist.
Im Akt der Körperpflege kann nicht eingeholt werden, was ehedem schon verflossen und der Darstellern unzugänglich ist. Der Leerheit ihrer Übungen entbehrt trotzdem nicht der Sinn.
Die Schwäche des Films liegt darin, daß er diese Problematik nicht expliziter und analytischer aufgefaßt hat.
Jeder/em von ihnen kommen gut drei oder vier Minuten des Filmes alleine zu, dazwischen sind Bilder der "Freunde" bei einem Picknick an einem sommerlichen Badesee eingespielt. Sie sollen vielleicht das Freundschaftliche der "Freunde", ihre Zugehörigkeit zu einer Clique, einer Szene, einem Freundeskreis dokumentieren.
Im Zentrum jeder "Beschreibung" steht das Bad. Die Kamera beobachtet die Person beim Ausziehen, unter die Dusche oder in die Wanne steigen, beim Einseifen, Säubern, beim Genuß des warmen Wassers, beim Heraussteigen, abtrocknen, in den Bademantel schlüpfen, anschließende Körperpflege, Schönmachen vor dem Spiegel.
In den knappen Dialogen, die bei diesen Prozeduren abfallen, dokumentiert sich die Vertrautheit der Filmerin mit ihren Darstellern, es ist nicht nötig große Worte zu machen, man kennt sich schon. Wo dabei die Kamera ihre Wackeligkeit verliert und ruhig zusieht, sogar richtig hinschaut, kommen nach meiner Meinung die schönsten Bilder des Filmes zustande.
Weder die Kamera noch die Darsteller zeigen Scheu vor der Nacktheit, ja präsentieren sich geradezu mit Lust, mit Opulenz und Sinnlichkeit (Die schönsten Brüste seit Russ Meyer, aber ohne dessen Fetischismus!). Die Aufnahmen sind immer intim, stellenweise auch erotisch, aber niemals aufdringlich oder obszön. Daß schließlich die Kamera auch abschweift, eben die Personen in ihrer privaten Welt, ihrer Wohnung, bei anderen Freizeitbeschäftigungen (Hans Romanov beim Rudern z.B.) oder mit kurzen Hinweisen auf ihren Beruf (Andrea Wünsche als DJ Bookerin) darzustellen versucht, empfinde ich als unnötig und problematisch an dem Film.
Daß die aufgefaßten Personen gerade hier in Frankfurt einigen Menschen bekannt sind, ist nichts als eine lokale Zufälligkeit, die sich in anderen Vorspielorten sofort abtragen wird, aber für mich liegt die Stärke des Werkes gerade in der Konzentration auf die anonyme Nacktheit der Darsteller und ihre beinahe selbstgenügsame Spiegelung im Wasser.
Was braucht mich zu interessieren, daß der Mann, der mich unter der Dusche mit seinem hageren Körper an den toten Christus von Holbein erinnert, in seiner Freizeit auch noch rudert.
Zum Porträt fehlt mir die Aus-Dauer und die Distanz zum Gegenstand. In ihrem Fehlen sehen ich die Stärke des Films, wobei ich meine, daß sie den Männern auch noch deutlicher auf Arsch und Schwanz hätte filmen sollen. Drei Minuten zum Duschen sind dafür wahrlich genug.
Ein Werk sollte immer auch Werk-Zeug sein, denke ich, und was gibt mir der Film da in die Hand?
Auf meine spontane Reaktion nach der Vorführung, der Film wäre mir "zu privat", entgegnete Anja Czioska etwas verständnislos, sie mache "nur private" Filme.
Was heißt aber "privat", was heißt "nur privat"?
Bedeutet das "nur" hier eine Steigerung oder eine Abschwächung von "privat"? Immerhin stellt sie ja den Film mit seinen durchaus privaten Szenen zur öffentlichen Diskussion, macht ihn in einer allgemein zugänglichen Vorführung der Öffentlichkeit erfahrbar.
Es wäre nun zu leicht aus meinem "zu privat" zu schließen, der Film sei nicht "politisch" oder vermittele keine Anschauung von öffentlichem Interesse.
Eher scheint es mir als schwäche die Filmemacherin mit ihrem "nur privat" die Brisanz des Filmes auf ihren eigenen Hintergrund und ihre Interessen hin ab, als verböte ein "privat" weitere Erkundigungen in seinen Inhalt und Darstellungsform, als dürfte die Reaktion auf ihn nicht das Maß an Belanglosigkeit und Triebhaftigkeit überschreiten, das sich in den Zwischeneinblendungen vom unschuldigen Treiben der "Freunde" am Badesee vorstellt.
Die Kamera, die dies alles in die Aufzeichnung einschließt, erweist sich aber qua dieser Aufzeichnung als Eindringling in dieser privaten Welt, woran auch die amateurhafte Handhabung, sowie die bewußte Einbeziehung fehlerhafter Elemente wie Farbverschiebungen, Überbelichtungen oder Filmfehler bei der späteren Nachbereitung nichts ändern, wie auch der Untertitel "Experimentalfilm" sich bewußt von Mami und Papis Strand-Urlaubs-Filmen absetzen soll. Wir sollen auch wissen, so ist es gewollt.
Je weniger der Film dem öffentlichen Raum Tribut zollt, desto aufdringlicher fordert er seinen Platz zurück.
Mag zu Anfang die Beobachtung des Badens und der Körperpflege als ausgesprochene Privatheit aussehen, ja gerade auch in dem expliziten Genußcharakter als Selbst-Befriedigung die ausgelassene sexuelle Sphäre (noch "privater"?) wieder mit hineinholt, die den eigentlichen, den nicht-öffentlichen Menschen aufzuweisen versucht, so entrollt sich gerade in dem Akt an sich seine historische Dimension.
So kurz auch die entsprechenden Sequenzen gewesen sein mochten, sie reichten aus, um zu dokumentieren, daß alle Darsteller in Wohnungen mit schlechter Bausubstanz und niedrigem Komfort leben, in denen die Bäder wahrscheinlich erst nachträglich eingebaut wurden. Es ist noch gar nicht so lange her, daß ein Bad zum Minimalstandard einer heutigen Wohnung gehört. Vorher gab es Waschbecken, davor Badezuber, und davor öffentliche Bäder.
Die heutige Hygiene ist das Ergebnis eines enormen Rückschlags, den die Badekultur in der frühen Neuzeit hinnehmen mußte. Während das Mittelalter ein außerordentliches Badeleben aufzuweisen hatte, in der das allgegenwärtige Bad gleichermaßen Reinigungs- und Vergnügungsstätte, sowie Kontaktbörse für beide Geschlechter war, wurden im 16. Jahrhundert unter dem Einfluß von Bettelorden und Puritanern, die vor allem sexuelle "Ausschweifungen" anprangerten (mit der Entdeckung Amerikas kam auch die Syphilis nach Europa), die öffentlichen Bäder sukzessive abgeschafft. Paris hatte um 1500 an die 3000 Badestuben, um 1600 ein paar Dutzend. Wer es sich leisten konnte, nahm Parfum, der Rest mußte stinken.
An der folgenden Entwicklung ist weniger die Erziehung und der Wille zur Sauberkeit interessant, als die Einbettung des Badens und Waschens (auch das Wäschewaschen!) in die häusliche Umgebung. Umgekehrt wurde das Lernen und Siechen von der Stube in den öffentlichen Raum getragen, zwecks besserer Kontrolle der als für die Allgemeinheit als nützlich erachteten Ergebnisse: die Geburt der Klinik.
Die ins Haus verlegte Sauberkeit korrespondiert mit einer Vielzahl von Techniken zur Ausbildung und Disziplinierung eines privaten Selbst, das sich zunehmend im Gegensatz zu einem öffentlichen Gemeinplatz sieht, der Gesellschaft.
Die kapitalistische Gesellschaft braucht nicht nur disziplinierte Arbeitskräfte, die über die letzten 150 Jahre in stetigerem und gewinnbringenderen Kontakt zu ihren Kunden (Stichwort Dienstleistergesellschaft) gebracht wurden, sie erfordert auch Konsumenten der immer zahlreicher werdenden Produkte und Bedürfnisse.
Wenig zeigt der Film von Anja Czioska deutlicher als der Wille zur Schönheit seiner ProtagonistInnen.
Selbst in einer randläufigen Gegend dieser Gesellschaft wie der Kunstszene besteht die Notwendigkeit den eigenen Körper zu verschönern und in Schuß zu halten. Von der Seife im warmen Wasser, über das sorgsame Einreiben mit Lava bis hin zum letzten prüfenden Blick in den Spiegel, es ist alles fürs Gemüt, und alles fürs Bestehen.
Der dem Film inhärente Narzißmus, ausgewiesen am Blick ins spiegelnde Wasser, der selbst-befriedigenden Reinigung, der Eingehülltheit in ein Wärme und Wohlgefallen spendendes uterinäres Medium, bricht sich an der Unheimlichkeit seines Gegenübers.
Trügerisch zu meinen, der selbstverliebte Blick in den Spiegel enthüllte ein liebenswertes Selbst, es ist das Man-Selbst, das Selbst auf Kredit, ein konstruiertes und erborgtes Selbst, das sich nur zu zerbrechlich und verfallend weiß, das zu pflegen und zu hegen geboten ist, solange es noch Gewinn macht.
In der scheinbaren Zurückverfallenheit der DarstellerInnen in ein kindliches Lustprinzip eröffnet sich ein Raum auf eine bedrohliche Zukunft, der nur durch Aufrüstung zu begegnen ist, sitzt der Lidstrich, ist der Busen fest und prall, hält der Blick stand?
Wie der Film damit enden muß, das alle das Bad verlassen, beweist er das Selbst als Panzer, als feste Umfriedung, die krampfhaft gehalten werden muß.
Wem das zu spekulativ klingt, den mag ich auf die zufällige und ungeplante "Ausstattung" des Films verweisen.
Dort, wo die Kamera von ihren Subjekten abschweift und einen Blick auf ihre Wohnsituation freigibt, befindet sich eine Welt von Flüchtigkeit und Haltlosigkeit.
Neben der schon betrachteten Tatsache, daß es sich vor allem um Altbauten in schlechter Wohnlage (Bahnhofsviertel) und schlechter Ausstattung handelt, dominiert eine Umgebung des Benutzten und Gebrauchten, vieles ist alt, aber nicht antik; wenn neu, dann ist es nicht original (Modeschmuck).
Nur Hans Romanov demonstriert eine Designer Teekanne (Arzberg?). Leben auf Second-Hand Basis, Dinge, soweit nötig, sind Behelf, Not-Behelfe. Dinge, die wohl persönlich sind, als sie den Aufwand erahnen lassen, der zu ihrem Erwerb erforderlich war (der Gang zum Flohmarkt), schweigen mehr als sie berichten vom unbeschwerten "Kauferlebnis", zu dem die Warenwelt so gerne einladen will; aber die ist draußen, weit draußen in den Vororten des Konsums, statt wie hier im Zentrum des Überlassenseins an die Geborgtheit des Sich-durchschlagens und Irgendwie-zurechtkommens.
Aus allem spräche eine große Trostlosigkeit eines Trotzdems, wenn ihnen nicht auch die Anstrengung der Aneignung abzulesen wäre, als positive Leistung, als Stück Begrenzung, Ab-Grenzung, die das Zuhause geleistet hat. Aber auch an diesem laßt sich die "Umheimlichkeit des Zuhauses" ablesen, von der Stefan Germer an anderem Ort gesprochen hat, als Zeugnis des Ringens um Stabilität und Dauer.
Wie groß mag die Bedrohung sein, wenn ihr nicht anders als durch diese improvisierten Leistungen, die jederzeit ohne große Verluste abzustoßen wären, zu begegnen ist.
Mich beschäftigt die Frage, ob einer von den Dargestellten im Film mehr Bücher als Schallplatten besitzt.
Nämlich als Scheide gegenüber der ausgeblendeten und unzugänglichen Hochkultur, denn Bücher sind auf dem Flohmarkt wesentlich billiger als Platten zu haben, aber sie gehören einer anderen Welt an, die Rilke seinen Malte recht zutreffend mit Haus, Hof und ererbten Möbeln in Verbindung bringen läßt.
Grundbesitzer im Bad, wäre aber ein anderer Film. Hier bezieht sich Grundbesitz allenfalls auf einen schmalen Uferstreifen, den man fürs kurze Vergnügen okkupiert hält und ansonsten gemächlich wieder verläßt. Mag vielleicht die Unruhe der Kamera damit zusammenhängen, daß sie auf diese Art keinen festen Boden unter den Füßen weiß?
Das Private war ehedem etwas, was die Öffentlichkeit beraubte, ihr die Fähigkeiten des einzelnen Bürgers entzog.
Im Film von Anja Czioska zeigt sich Privates als den Individuuen entzogener Besitz und Fähigkeiten, sich sinnvoll auf Öffentlichkeit, die nicht die ihre ist, zu beziehen.
Das Bad ist ein trockenes Refugium, in dem Rückzug auf ein Selbst schon überholtes Manöver ist.
Im Akt der Körperpflege kann nicht eingeholt werden, was ehedem schon verflossen und der Darstellern unzugänglich ist. Der Leerheit ihrer Übungen entbehrt trotzdem nicht der Sinn.
Die Schwäche des Films liegt darin, daß er diese Problematik nicht expliziter und analytischer aufgefaßt hat.
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Sorry, geht grad nicht.