Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Es geht um mehr

Posted by Stefan Beck on Wednesday, May 7, 1997
In Reply to: Re:Geht es um Kunstgeschichte ? posted by Thomas Wulffen on May 04, 1997 at 12:00:07:

Natürlich geht es auch ohne Kunstgeschichte, gar keine Frage. Ich stehe eher vor dem Problem welche (wissenschaftliche) Methode zu der von mir angestrebten Untersuchung Zugang bietet.

Mit "Kritik der Kritik" wollte ich nur ausweisen, daß Kritik nicht mehr der Geist über dem Wasser (der Kunst) ist, sondern selbst ein Teil des Kampfes und der Auseinandersetzung. Für mich ist das beinahe banal, aber insgesamt noch nicht selbstverständlich (Pace Gleichgesinnte!).
Es ist vollkommen richtig Fakten und nichts als Fakten zu fordern, statt sich mit schwammigen Begriffbestimmungen wie "Hexerei" oder "Schamanismus" zufrieden zu geben. Trotzdem bleibt die Frage, wie die Fakten zu gewinnen sind. Ich habe an anderer Stelle schon über Kasper König und andere Minoritäten des hiesigen Kunstlebens geschrieben, was ich in die Finger bekommen konnte. (siehe meine diesbezüglichen Artikel im "">inter.zin", hier bei TT FFM) Auch hier auf dem Brett ist zu lesen, daß K.K. jetzt bei der Industrie schnorrt. Mein Informationsdienst hat jetzt zusätzlich erfahren, daß die schon besprochene Ausstellung bei der Daimler-Benz-Vertretung in Frankfurt der Städelschule eine Spende von DB in nicht genannter Höhe eingebracht hat. (Vor dem Hintergrund, daß die Stadt Frankfurt die Städelschule gerne dem Land Hessen aufs Auge drücken möchte, und daher immer weniger Geld zur Verfügung stellt.) Ebenso wird die von mir schon erwähnte Ausgabenreihe der hiesigen Zeitschrift ROGUE (Motto:"ROGUE als the missing link zu den Künstlern [sic!]") nach zuverlässiger Quelle von Kasper König finanziert. Ich sehe hier weniger das Problem, daß mir diese Spendenquittungen (sofern es welche gibt) nicht auf dem Schreibtisch liegen, als schon an ganz anderer Stelle dafür gesorgt wird, daß erst gar keine Fakten entstehen.


Jüngstes Beispiel ist die nicht existente Wandzeitung unseres "Seminars" (siehe unter TT FFM "Kunst & Politik"). Wir hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, die Früchte unseres Kaffeehausstammtisches in Form einer Wandzeitung öffentlich zu machen.

Unser Mitseminarist Thomas Erdelmeier hatte sich angeboten Räume in der Frankfurter Junghofstraße, die er schon für Ausstellungen und Parties genutzt hatte, mit ihren Schaufenstern zur Verfügung zu stellen. Daß er gleichzeitig die Innenräume an die Veranstalter der ART FRANKFURT Party, ROGUE Herausgeber WE Baumann und Ausstellungsmmacher Konstantin Adamopoulos, vermietet hatte, schien ihm anfangs kein Problem. Wir wollten ja auch nur die Schaufenster nutzen und das erwartete Kunstpublikum gerne über Kulturpolitik in Frankfurt aufklären. Die Räume der Party, die Schaufenster uns. Sollte doch eine gute Sache werden mal zu demonstrieren, daß es in Frankfurt auch einen kritischen Diskurs gibt.


Aber als die Zeitung stand, entdeckte Herr Erdelmeier, daß da auch Artikel von mir hingen, die sich kritisch mit gewissen Aktionen von Herrn Baumann und Herrn König in Frankfurt auseinandersetzten (nachzulesen ebenfalls in "inter.zin").

Das wollte ihm plötzlich gar nicht mehr gefallen, weil er nach beiden Seiten offen bleiben wollte, großzügiger Gastgeber und kritischer Seminarist. Wie er selbst zugab, sah er sich von König abhängig, weil König "im entscheidenden Moment" (Erdelmeier) geholfen hatte die Junghofstraße für Ausstellungen nutzbar zu machen.

Kritische Texte würden ihm, so seine Befürchtung, den Weg zu weiteren Projekten, die in Frankfurt nur über König möglich wären, versperren.

Daß mein Brief an W E Baumann zentraler Punkt der internen Auseinandersetzung wurde, braucht nicht überraschen. Der Brief bezieht sich auf die Form eines Einladungsschreibens Baumanns zu einem Treffen im Frankfurter "Hafenbad" im August 96. Wird die zentrale Rolle Kasper Königs dabei nicht nur dadurch deutlich, daß "Dank K.K. für Essen und Trinken gesorgt" sei (Baumann), so darüber hinaus, daß viele der angesprochenen und angeschriebenen Gäste Baumann gar nicht persönlich kannten, oder Gründe hatte, anzunehmen, daß Baumann sie gar nicht kannte. Die Kunsthistorikerin Verena Kuni, die ebenfalls Bedenken über die Form Baumanns Einladungsschreiben äußerte, hat in einem Brief an Baumann davon geschrieben, daß sie nie eine Einladung von Baumann erhalten habe, sondern von König direkt angesprochen wurde. Damit ist zumindestens plausibel, daß die von Baumann initierte Liste zum Teil von König selbst stammt.

Indem ich Baumann kritisierte, traf ich ebenfalls König, was Erdelmeier nach eigener Aussage nicht recht sein konnte.

Nach über dreistündiger Diskussion der Seminarteilnehmer mit Erdelmeier, die übrigens die Position aller anderen hervorhob, daß meine Artikel als kritische Beschäftigung mit der Frankfurter Kulturpolitik ("Stadt" war eines der Themen, die Erdelmeier selbst für die Wandzeitung vorschlug) einen wertvollen Beitrag zur Wandzeitung leisteten, erklärte dieser dann, daß sein Kollege Schneider und er schließlich das Hausrecht ausübten und, daß es daher in ihrem Ermessen stünde, ob die Wandzeitung zur Party hängen bliebe oder nicht. Das Seminar konnte dagegen nur fordern, daß die Wandzeitung als Ganzes bestätigt oder abgehängt würde. Einzelne Beiträge dürften nicht gesondert "zensiert" werden.

Obwohl Erdelmeier uns versprochen hatte, uns vom Ergebnis seiner Unterredung mit Schneider zu informieren, fand ich bei einem Kontrollbesuch gegen 20:00 Uhr die Wandzeitung entfernt, das Schaufenster stattdessen mit Exemplaren von ROGUE dekoriert vor.


Wenn ich diesen Vorgang hier so elaboriert geschildert habe, dann, weil sich hier ein grundsätzliches Problem im Umgang mit Kritik stellt.

Die Wandzeitung als Objekt der Auseinandersetzung gibt es nicht mehr. Sie ist nun mehr fiktiv. Das Publikum der Art Frankfurt kam zum Ort der Party ohne zu wissen, was ihm entgangen war. Wir alle, Erdelmeier inklusive, sind nun gezwungen über ein Objekt zu sprechen, was real nicht mehr vor uns liegt.

Die Auswirkungen, eine Spaltung des Seminars u.a, sind sehr wohl real vorhanden. Aus den Bruchstücken das vormalige Original zu rekonstruieren, birgt aber selbstverständlich die Gefahr die einzelnen Teile falsch zusammenzusetzen. Das trifft sowohl mich als auch Erdelmeier, Wir beide sind nun gezwungen, aufgrund von größtenteils undokumentierten Vermutungen zu operieren. Paradoxerweise ist nun eingetreten, was Erdelmeier mir von vornherein als Schwachpunkt meiner Kritiken ankreidete, sie seien "zu persönlich". Mangels des corpus delicti sind wir beide gezwungen persönlich zu argumentieren. Ich kann nur noch schreiben, wie ich den Vorgang erlebt habe. Mein persönliches Leiden daran muß niemand mehr interessant finden.


Ich denke, daß sich Kunst mit solcher Art von vorwegnehmender Selbstkritik (weder Baumann noch König haben sich im Vorfeld - die Wandzeitung hing vor der Party fast eine Woche - direkt negativ geäußert, lediglich Thomas Erdelmeier fürchtete präventiv dafür gemaßregelt zu werden) einen großen Schaden zufügt. Es ist natürlich leicht zu fordern, alles müsse ausgesprochen werden, aber solche Sachen sind sicherlich kein Einzelfall. Kritik der Kritik heißt für mich anzuerkennen, daß Kunst notwendig geschichtlich ist. Jede Art von Zensur schadet diesem Projekt eminent.

Wir hatte ja hier das Glück, daß Erdelmeier durch die Beteiligung des ganzen Seminars gezwungen war Stellung zu beziehen. Was in einzelnen Künstlern intern an Selbstkritik abgeht, bevor sie ein Werk präsentieren, ist wahrscheinlich niemals mit Sicherheit aufzuweisen.

"Nichts an meinen Gedanken", sagt Wittgenstein,"deutet daraufhin, daß sie mit einem Gehirn gedacht werden."

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Sorry, geht grad nicht.

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