Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Aus dem Tunnel in die Grube

Posted by Stefan Beck on Sunday, August 13, 2000
Zur Zeit jagt ein Ereignis das andere; kaum ist das "Mega-rave" im Hafentunnel zu Ende, wird schon das nächste angekündigt: eine Nachttanzdemo soll am Sa., den 2.Sept. vor dem Frankfurter Ordnungsamt in der Mainzer Landstr. stattfinden.
Wenn ich an die "legendären" Demos 95, 96, 97 zurückdenke, kann ich nur finden: sonderlich, schauerlich.

Für was soll da eigentlich demonstriert werden?

Nun, das aushängende Poster bleibt da im ungefähren: "die Aufteilung der Stadt in unterschiedliche Partyzonen", "die Wiedereinfuehrung des blauen Montags alls allgemeiner Chilltag" und " die Abschaffung des Frankfurter Ordnungsamtes".

Letzteres hat wenigstens ein Bit Substanz aufzuweisen, wenngleich die Forderung angelegt an die derzeitige politische Lage hoechst unrealistisch scheint.

Eher glaube ich an die Abschaffung des MMKs, der Schirnkunsthalle, des Portikus und des Kunstvereins; - aber nicht durch Demonstrationen, sondern durch die politisch verantwortlichen selbst.

Die groessten revoluzzer im kulturbetrieb sitzen ja mittlerweile in amt und wuerden und haben fuer die veraenderung des kulturlebens in frankfurt mehr geleistet, als jede demonstration je zustande braechte. Danke soweit.

Vor diesem hintergrund erscheinen die ziele eines solchen aufmarsches in eigentuemlicher schieflage.

Daß das hiesige Ordnungsamt Veranstaltungsorte wie den "space place" oder die "frankfurter schule" mit unsinnigen Auflagen und Verfahren unablässig malträtiert ist bloß traurig, wenn man sich klar macht, daß die Betreiber nichts auslassen, um so angepasst und konform wie nur möglich daherzukommen, - nicht wegen dem Ordnungsamt, nein, wegen dem Publikum!

Da müsste es eigentlich mal zu einer Demonstration gegen das Frankfurter Publikum kommen. Aber wer ginge dahin? Ich glaub, die kenne ich alle persönlich.

Scherz beiseite, was wuerde sich eigentlich ändern, wenn das Ordnungsamt sich gegenueber den forderungen der demonstranten gnaedig erwiese (von der selbstaufloesung einmal abgesehen)?

Schon jetzt ist ja mit hoechster behoerdlicher genehmigung und genuegend geld freudiger investoren die gesamte hanauer landstr. zur party-zone erklaert worden.

Aber wer dahin geht moechte ich lieber nicht persoenlich kennen....

Mir scheint, das problem liegt darin, dass einige leute es dem ordnungsamt krum nehmen, dass sie nicht einfach irgendwo einen schuppen fuer 200 leute aufmachen koennen, bretter, plattenspieler und paar lichter reinstellen und dann auch noch 10 dm am eintritt verlangen.

Sowas hatten wir ja auch schon; das hiess Nordisk, und die sitzen jetzt auch auf der Hanauer.

Das sollte aber nicht zu verallgemeinerungen fuehren; auch die galerie fruchtig hat ihre probleme mit dem ordnungsamt.

Ich bin allerdings keineswegs so optimistisch zu glauben, eine verbesserung des musik- und partylebens wuerde automatisch durch die abschaffung des ordnungsamtes eintreten.

RadioX, unser buergerInnenfunk, ist da ein gutes beispiel. Im grunde ist da ausser wuesten beleidigungen und ueberziehung der sendezeit alles erlaubt, aber die wirklich experimentellen sendungen kann man an drei fingern abzaehlen.

Es gab auch mal piratensender in frankfurt, weil einige meinten das oeffentlich-rechtliche wuerde nicht genug drum'n bass spielen. Seit RadioX habe ich von derlei aktivitaeten nichts mehr gehört; die vormaligen uebeltaeter sind jetzt brav in der von Maya betreuten "DJ-Schiene" untergebracht oder stehen hinterm tresen eines plattenladens um lieber anderen die revolution zu verkaufen.

Dass die auf der Hanauer ansaessige disko "Lofhouse" zu den unterstuetzern der nachttanzdemo gehoeren wuerde, hat sich offensichtlich nicht bewahrheitet, aber ueberrascht haette es mich nicht, denn beim "Lofthouse" haengt der jugendsender "Planet Radio" mit drin, die vor zwei jahren als werbekampagne eine buergerinitiative zwecks ihrer eigenen abschaffung initiiert hatten.

Man sieht, die haben ihren Foucault, Baudrillard und Derrida gruendlich durchgearbeitet. Leider gehoeren letztgenannte nicht zur dienstlektuere des ordnungsamtes, sonst liesse sich aus deren thesen eine prima gegendemonstration zusammnbauen: Selbstabschaffung als Legitimation der Subversion der Dekonstruktion ist Konstruktion. Ja.

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Sorry, geht grad nicht.

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