Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Im Westen nichts Neues

Posted by Stefan Beck on Monday, May 13, 1996
Wie schon New York so gehen jetzt auch in Frankfurt ernsthafte Erwägungen um The Thing als BBS (Mailbox) aus dem Netz zu nehmen. Grund zu einem ist die geringe User-Aktivität, für die wir keine konkreten Gründe ausmachen konnten, zum anderen die Tatsache, dass sich der Gastgeber Andreas Kallfelz/707 aus verständlichen Erschöpfungszustäenden aus dem Geschäft zurückziehen möchte.
Zu fragen bleibt eigentlich, wie es dazu kam, und unter den verschiedenen Meinungen, die sich da sicher bilden werden, möchte ich eine Vorweg angreifen, bevor sie sich festigen kann. Sie ist diese altbekannte:

"Ja, in Frankfurt, da kannst Du doch eh nichts machen, da gibt es ja niemanden, da ist nichts los, da kommt nichts hoch, da kannst Du gleich aufgeben etc etc..."

Also, hier wird ständig auf ein etwa vorhandenes Nichts, ein Vakuum, eine Leere, eine Wüste, eine Absenz verwiesen, die hier angeblich herrschen soll.

Aber, hopla, wir leben doch! Wie kann das sein, dass wir noch immer zwei der mächtigsten Maenner im Kunst-Betrieb in Deutschland, Ammann und König, samt ihren Helferlein hier haben. Wären die immer noch hier, wenn es so eine Wüste wäre?

Schickt nicht auch die Städelschule jedes Jahr 10 Absolventen ins "Rennen"?

Wo gehen die hin? Ich möchte behaupten, es gibt in Frankfurt genausoviel kluge, kreative, intellektuelle Menschen wie anderswo auch. Aber warum treten die nicht in Erscheinung?

Liegt es vielleicht an der Macht? Einer ungeheueren Machtkonzentration, die ähnlich einem schwarzen Loch, alle ihr entfliehen wollenden Äußerungen vehement an sich reißt?

Warum ist in Wien und Berlin "mehr los"?

Liegt es vielleicht daran, dass diesen Städten nur noch die verblichenen Symbole ehemaliger Welt-Macht verblieben sind, ihnen keinerlei Macht mehr innewohnt, während die reale Macht längst auf eine Stadt wie Frankfurt, einer "modernen Dienstleistungsmetropole" (Eigenwerbung), übergegangen ist.

Eine Stadt, die die reale Wirtschaftsmacht eines united corporate Europe verkörpert, die ein wirkliches Zentrum darstellt, während, wie wir aus einem wunderbaren Büchlein längst gelernt haben, Kunst und Kultur nur an den Peripherien und auch noch an deren entlegensden Rändern Platz finden.

Ist Kunst wirklich nur noch eine Rand-Erscheinung? Das Schweigen von Frankfurt, was sagt uns das? Muß ich nicht davon ausgehen, daß, wie die leere Leinwand, der weiße leere Raum, das außer Betrieb befindliche Museum und die ruhende Galerie auch das Schweigen des Diskurses (in FFM) das äußerste Anzeichen der Macht ist?

Einer ungeheuren, alles niederdrueckenden Macht?

Es geht so weiter, es geht immer so weiter in Berlin und Wien, weil dort die Macht längst fortgegangen ist; da kann geredet werden, dann noch ein Diskurs stattfinden - weil es niemandem weht tut.

Aber Frankfurt ist wie ein Auge des Zyklopen, vollkommen präzise von tosender Ruhe erfüllt.

Das Schweigen von Frankfurt ist lange noch unterschätzt worden.

(DATEN, MATERIALIEN, FAKTEN) (ALL FORMATS (POSSIBLE))

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Sorry, geht grad nicht.

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