Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Art Frankfurt: Rundgang über eine uncharakteristisch weiße Fläche.

Posted by Stefan Beck on Thursday, May 3, 2001
Die Kunstmesse Art Frankfurt ist eine Destille, die aus dem ganzen Umfang des Kunstschaffens einen einzigen Wert filtiert, den Warencharakter des Kunstwerkes.
"Outside the market, there is nothing", bemerkte einmal die Künstlerin Barbara Krueger.

Und demnach benimmt sich die Kunstmesse, trotz ArtKino, Sondershow, Besucherführung, Preisverleihung etc. Letztere verstärken nur den allgemeinen Verkaufscharakter, statt ihn abzuschwächen. Beinahe überflüssig zu erwähnen, daß solche Sachen wie Performance, Video oder Landart draußen bleiben.

Die Kunstmesse präsentiert sich als kohärenter und homogener Mikrokosmos des Kunstkaufens.

Letzteres bleibt gewöhnlich implizit, die Preise sind selten fett ausgezeichnet, die Galeristen bleiben zurückhaltend und vornehm. Sie schreien und gestikulieren nicht.

Einzig die Kunst, die in den allermeisten Fällen dicht gedrängt die Wände der Kojen bedeckt, soll auf sich aufmerksam machen, - was paradox ist, denn es geht ja gerade nicht um die Kunst, sondern um den Verkauf.

Eine Galerie, die nichts verkaufen will, kann eigentlich nicht auf der Kunstmesse sein. Doch letztes Jahr entdeckte ich den vollkommen leeren Stand einer mexikanischen Galerie.

Einzig auf einem weißen Sockel stand ein Lederkoffer, der die Flugtickets und Reiseutensilien der Galeristen enthielt, die einem, auf die Frage nach der Natur dieser "Ausstellung" lediglich einen in Englisch verfassten Zettel überreichten, auf dem zu lesen war, daß die Galeristen sich selbst ausstellten.

Das war klug, aber vermutlich nicht sehr einträglich. Man stelle sich einmal vor, alle machten das so. Im Gegensatz zur totalen visuellen Überwältigung, die die allermeisten Kojen praktizieren, würde plötzlich beunruhigende Leere herrschen.

Ich muß gestehen, dass ich auf einer Kunstmesse zwar viel sehe, aber fast nichts wahrnehme.

Gerade auf der Eröffnung werde ich in einer Art umgekehrten Filmprojektion frame by frame an vielen tausend Kunstwerken vorbeigeschoben. Vor meinem geistigen Auge entsteht schließlich ein blasses Kontinuum ununterbrochener Eindrücke, ähnlich der Arbeit eines Bekannten, der ganze Filme auf ein einziges Dia projizierte. Ob Hitchcock, Truffaut oder Kubrick, - alles geronn in dieser Dauerbelichtung zur einer uncharakteristischen weißen Fläche.

Würde man allerdings dieses Verfahren umdrehen und die Kunstmesse in eben dieser Überbelichtung präsentieren, die sie eigentlich schon ist, so gewänne sie eine neue Qualität.

Statt hilflos einzelne Frames abzuscannen und mit dem Katalog meines Vor-Wissens von Kunst abzugleichen "alles nur Hängeware!" wäre ich plötzlich gezwungen auf die Galeristen in ihren leeren Kojen zuzugehen und über Stand und Status ihrer Kunst zu befragen.

Vielleicht käme auf diese Weise das ein oder andere interessante Gespräch zustande, das mich von meinen Vorurteilen hinsichtlich der Warenmetaphysik dieser Verkaufsveranstaltung befreite.

Die wenigen auf der jetzigen Kunstmesse vertretenen "alternativen" Projekte wie Station Rose, Netzwerk Offenbach oder Saas Fee steigern dieses Prinzip des vorherrschenden visuellen Displays nur durch Übertreibung, indem sie ihre Stände als Trademark-Höllen markieren, die bis in den letzten Winkel mit Copyright überzogen sind. "Register me to register you©. Das hab ich verstanden".

Was tun, wenn ich versehentlich doch Kunst gekauft habe?

Zum Glück hilft mir ein Prospekt aus, den ich am Ausgang der Messe abgegriffen habe: "Hängt Ihr Kunstkauf weniger vom Preis als von einer freien Wand ab? Dann brauchen Sie ein Loft! Mit großen Wandflächen und offenen, individuell aufzuteilenden Grundrissen. Raum für Kunst, Freiraum für Lebenskünstler: bis zu 380 Quadratmeter. Lassen Sie sich beraten. Damit Ihre Kunstsammlung nicht länger in der Luft, sondern bald in Ihrem Loft hängt."

Interessiert?

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Sorry, geht grad nicht.

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