Texte zur Kunst und Netzkunst 1996 - 2002

Auch Vorschläge sind Schläge. Rehberger im Portikus

Posted by Stefan Beck on Monday, January 13, 1997
Tobias Rehberger im Portikus

Der Vorgang, aus dem Pressetext: '"Ende November diesen Jahres sollen für die Ausstellung #76 verschiedene Veränderungen in und um den Portikus vorgenommen werden. Im Rahmen dieses Vorhabens möchten wir Sie um Ihre Vorschläge bitten, " so beginnt ein im Portikus ausgelegtes Schreiben des Künstlers Tobias Rehberger an die Besucher der beiden vorangegangenen Portikus-Ausstellungen.
Das Ergebnis

Ein neongrüngestrichener Holzfußboden (weil ein Besucher seine Schritte hören wollte), mehrere zum Sitzen gedachte zylindrische Objekte, eine Rollstuhlrampe, bunte Typografie auf den Säulen des Portikus, eine Art Kunststoffhut mit Schlitz als Fahrradständer, der Eingang zum Katalograum des Portikus durch eine überdimensionale Buchstabengruppe 'BOOKS' gerahmt und andere Kleinigkeiten. Vom Eindruck her eine deutliche Anlehnung an die derzeitige Rezeptionsweise von "70er" Jahre.

Die Kritik

Die vorligende Ausstellung Nr. 76 ist nicht, was sie zeigt, und zeigt nicht was sie ist.

Und das ist wohl im Sinne des Künstlers, der sich vielleicht selbst nicht so sicher war, was er mit "Veränderungen" meinte, die Besucher der vorangegangenen Portikus-Ausstellungen ihm vorschlagen durften.

Tatsächlich erklärt die Pressemitteilung von Portikus-Kuratorin Brigitte Kölle:

"Nur Vorschläge mit einem praktisch-funktionalen Hintergrund werden realisiert, ästhetische 'Verschönerungs'-vorschläge dagegen nicht umgesetzt".

Da ist zwar nachvollziehbar, daß Rehberger einen Holzfußboden einziehen und Sitzmöbel aufstellen läßt, wenn ein Besucher seine Schritte hören wollte, oder einfach nur eine Sitzgelegenheit suchte, aber wieso muß dann der Boden neongrün und die runden Hocker gerade so rund, so bunt und mit Kordel bespannt sein?

Die Kuratorin merkt zwar auch in der Pressemitteilung, daß es sich um "das musterliebende Design der 70er Jahre" handelt, wie es aber zu der Entscheidung zu genau jenem Design gekommen ist, verrät und begründet sie nicht.

Daß die durchsichtige Eingangstüre, die mir insgesamt noch am Besten gefällt, "praktisch-funktional" ist, leuchtet mir noch ein, aber warum der Boden grün sein muß, scheint mir aufgrund dieser Versicherung nicht erklärbar.

Der subjektive Ermessensspielraum des Künstlers scheint hier ein Vorrecht zu haben, der Fußboden hätte auch rot oder gescheckt sein können. Gleiches gilt für die Sitzmöbel und andere "Veränderungen".

Fasse ich aber einen Gesamtkontext von "Veränderungen" ins Auge, so wirkt das bestehende Ensemble noch dürftiger.

So wird eigentlich nirgendwo erwähnt, wie lange jene "Veränderungen" Rehbergers denn Bestand haben werden.

Der grüne Fußboden wird mit Sicherheit zur nächsten Ausstellung verschwunden sein, während vielleicht die Glastüre noch ein wenig bleibt.

Wie ernst wird eigentlich hier Veränderung genommen, wie fest stehen eigentlich Künstler und Ausstellungsleitung hinter dem Gegesatz "praktisch-funktional" versus "ästhetische Verschönerung"? Nehmen sie ihn überhaupt ernst?

Mir scheint hier wird eigentlich nur ein wenig gespielt, die Besucher für dumm verkauft.

Es bewegt sich eigentlich auf dem Level den visuelle Gestaltung heute mit sich bringt, sehen und vergessen.

99% aller Gestaltungen sind nur noch für ein en kurzen Augenblick konzipiert, in den sie wirken müssen, hinterher sind sie egal. Nach fünf Ausstellungen wird niemand mehr von der "Veränderungen" Rehbergers reden, er ist schon längst über die Berge um seinen Unsinn andernortes anzubringen.

Kommen wir da noch auf die Motivation. Mir ist eigentlich nicht bekannt, daß Rehberger im letzten Jahr sich sehr um "Veränderungen" am Portikus (der an sich auch keinerlei Struktur für solche bietet) bemüht hätte (anderslautendes bitte an mich), sondern Tatsache dürfte doch sein, daß Rehberger im Rahmen dieser Ausstellung den Entschluss fasste eben eine ästhetische Innovation zu bringen, die darin besteht, daß er nicht mehr nominell für sein Werk einstehen muß.

Er bezieht sich ja immmer nur auf andere, die ihm die Vorschläge gemacht haben (Nebenbei wundert mich da die Bescheidenheit der Besuchervorschläge). Das ist aber formal ein alter Hut, und schon unter der Bezeichnung 'Heautonomie' von Michael Lingner entsprechend abgehandelt.

Das wäre ja nicht weiter schlimm, wenn die Fremd-Selbstbestimmung wenigstens ernst gemeint wäre, was ich Rehberger einfach nicht abnehmen kann. Daß der Künstler, der bisher am eindrucksvollsten von der Städel-Connection Bayrle-König profitiert hat, weitreichende Änderungsvorschläge für der Portikus einbrächte, kann mir kein Mensch erzählen. Warum sollte er das ändern wollen, was ihn hervorgebracht hat?

Die Arbeit wäre schon damit zynisch genug, setzt aber nochmals weiter an, wenn wir uns bewußt machen, wo genau Rehberger eigentlich seine "Veränderungen" angebracht hat.

Seine "Veränderungen" umfassen zu 95% die bauliche Substanz des Portikus, Glastüre, Holzbodenm, Sitzgelegenheiten, Fahrradständer, Rollstuhlrampe (warum haben daran eigentlich nicht die Architekten schon gedacht????).

Alles, was die Immaterialität des Portikus als Ausstellungshalle angeht wurde nicht angetastet.

Nämlich die Leitung des Portikus, die Entscheidungsbefugnisse, die Auswahl von Künstlern, die Person des Direktors (König), der Kuratorin (Kölle), der Apparat der Rechtfertigung von Ausstellungen (Pressemitteilung z. B.), der Kontext von Ausstellungen und der Künstler (was war vorher, was wird nachher sein?).

Der Pressetext verspricht zwar, es ginge "um den Funktions- und Produktionszusammenhang von Besucher - Künstler - Objekt", aber von welcher Funktion kann denn hier die Rede sein, wenn nicht von der Funktion der Ausstellungsmaschine Portikus?

Nein, Rehberger achtet fein säuberlich auf die Trennung dieser beiden Sphären, des reinen weißen Ausstellungsraums und der reinen weißen Westen, derer, die ihn bedingen.

Es ist immer wieder erstaunlich und mit der Zeit wirklich anstrengend darauf hinzuweisen, daß eine solche Trennung im Jahre 1996 gar nicht mehr möglich und eine versuchte Verwirklichung somit reaktionär ist, aber die Einsicht wird solange auf sich warten lassen, wie die bewußte Spaltung und das Wegsehen der Künstler ihr eigenes Fortkommen sichern.

Im Falle von Rehberger ist das dargestellte Verfahren insofern bemerkenswert, als er auch zu wissen scheint, daß er nicht wie irgendein Maler einfach seine Objekte in den Portikus stellen kann, ohne den Kontext beachten zu müssen.

Sein Trick besteht einfach darin, den Kontext in die Objekte zu integrieren, sie sind im besten Sinne des Wortes Gebrauchs-Gegemstände, ihn so vom Ausstellungsraum abzuziehen und mobil in den Stücken unterzubringen.

Am Ende der Ausstellung kann er den Kontext einfach mitsamt den Objekten wieder abziehen.

Die Ausstellung ist kein gutes Beispiel, sie ist Pseudo im Sinne des Wortes, nämlich Täuschung.

Und ein Schlag ins Gesicht derer, die sich für echte Veränderung in der Kunst engagieren. (Das ist sicher kein Zufall, denn das Kuratorengespann König-Kölle hat ja schon mit der Zeil-Kunst Ausstellung bewiesen, daß ihnen jeder Kontext, damals die Zusammenarbeit mit der rechtslastigen Vereinigung 'Zeil Aktiv', recht ist, wenn er für ihr Geschäft taugt.)

Ausstellung im Frankfurter Portikus bis zum 23. Januar 1997.

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